:: Damit es nicht knallt


Es gibt einen einzigen Grund, warum man Bosnien-Herzegowina nicht genauso bereisen kann wie jedes andere europäische Land: Im Krieg wurde eine große Menge von Landminen auf dem gesamten Gebiet verteilt. Die meisten sind Personenminen, die ausgelöst werden, wenn man darauf tritt, und die genug Sprengkraft besitzen, um einer Person die Beine wegzureißen. Eine Explosion kann auch sofort tödlich sein. Es gibt stärkere Minen, die in der Lage sind, eine Gruppe von Menschen zu töten oder schwer zu verletzen. Seltener gibt es Minen, die durch über den Boden gespannte Drähte ausgelöst werden, so dass größere Gebietsteile "abgedeckt" werden. Eine Art springt in die Luft und explodiert über dem Boden, so dass die Splitterstreuung erheblich größer ist. Schließlich wurden Sprengsätze auch in Kinderspielzeug versteckt, sogenannte "Schmetterlinge", die eher aussehen wie bunte Plastikknochen. Durch die Erschütterung beim Aufheben eines solchen Gegenstandes wird die Detonation verursacht.



Experten gehen davon aus, dass die Haltbarkeit der verwendeten Minen etwa hundert Jahre beträgt und es aus technischen Gründen ausgeschlossen bleibt, Bosnien von dieser Plage zu befreien.
Landminen sind eine perfide und groteske Methode, ein Gebiet nicht nur für seine Bewohner, sondern auch für die potentiellen Eroberer (!) auf lange Zeit unbrauchbar zu machen. Den chaotischen Verhältnissen in einem teilweise paramilitärisch geführten Bürgerkrieg entspricht es, die Verminung planlos vorzunehmen. Wenn militärische Minenkarten existieren würden, auf denen die ausgesetzten Sprengkörper eingezeichnet sind, wäre es einfacher, sie später wieder zu entfernen. In Bosnien wurden die Minen aber willkürlich von den Soldaten und Milizen ausgesetzt.



In gebirgigem Gelände ist es besonders schwierig, die Minen aufzuspüren und zu bergen bzw. gefahrlos zur Detonation zu bringen. Da nach einem Krieg der Boden mit Metallteilen aller Art verunreinigt ist, bleibt die Anwendung von Metallsuchdetektoren uneffektiv; außerdem gibt es auch Plastikminen. Minensuchhunde sind nicht zuverlässig, und Infrarotgeräte sind zu teuer. Realistisch betrachtet, so ein Minenexperte von MAC (Mine Action Center), bleibe dem Land und seinen Besuchern nichts anderes übrig, als mit der Gefahr zu leben. In anderen Reiseländern gibt es Giftschlangen, Tropenkrankheiten, unkontrollierte Kriminalität, Terroranschläge oder Naturkatastrophen. Ein kleiner Trost: Von alldem hat Bosnien nichts.



Es ist möglich, sich gegen diese Gefahr zu schützen. Ganz Bosnien schützt sich gegen diese Gefahr. Derzeit kommt es im Monat zu etwa acht Unfällen (geschätzt). Das ist alles andere erfreulich, aber deutsche Autobahnen sind weitaus gefährlicher. Die einzige Schutzmöglichkeit besteht in Aufklärung. Nur wenn man weiß, wo die Minengebiete liegen, wie sie gekennzeichnet sind und wie man sich zu verhalten hat, kann man die Gefahrenzonen meiden. Das Deutsche Auswärtige Amt beschränkt sich nach wie vor auf den Hinweis, dass das gesamte Land Gefahrenzone ist und deshalb gemieden werden sollte. Dies kann auf Dauer nicht die passende Strategie sein, da ein Land, das im Herzen Europas gelegen ist und das nach allgemeiner Ansicht so schnell wie möglich wieder integriert werden sollten, nicht einfach zum Sperrgebiet erklärt werden kann.



Diese Homepage kann nicht eine profunde Aufklärungsarbeit ersetzen, wie sie von offizieller Seite geleistet werden sollte. Meine Erfahrungen basieren allein auf der selbst durchgeführten Reise und Gesprächen mit Minenexperten von MAC und von der SFOR sowie mit Menschen, die in Bosnien leben oder reisen. Minen sind kein Anlass zur Hysterie, aber zur Vorsicht. Wenn man sich an die folgenden Hinweise hält, lässt sich das Risiko auf ein vertretbares Maß reduzieren.

Im Normalfall sind betroffene Gebiete gekennzeichnet. Die Markierungen bestehen aus gelben Plastikbändern (ähnlich wie Baustellenabsperrungen) sowie aus kurzen Pfählen und Steinen, die in rote Farbe getunkt wurden. Wind und Wetter können die Markierungen zerstören. Wichtig ist, dass man stets genau hinsieht, auch nach Plastikfetzen in Gebüschen Ausschau hält, nach am Boden liegenden Stöcken und roten Farbflecken, egal wo sie sich befinden.

Zu zweit ist man erheblich besser dran. Es klingt vielleicht makaber - bei den meisten Unfällen stirbt das Opfer nicht bei der Explosion, sondern verblutet, weil niemand in der Nähe ist.


Das Kreuz auf den Bergen um Mostar. Das Minenband warnt vor der Gefahr im Boden.

Kreuz bei Mostar

Besonders gefährdet sind die Gebiete entlang der innerbosnischen Grenze (auf guten Land- und Straßenkarten ist die Grenze eingezeichnet) sowie rund um ehemals belagerte Städte (vor allem Sarajevo und Mostar). Spaziergänge oder Wanderungen in freies Gelände dürfen nicht unternommen werden, es sei denn, man wird von jemandem begleitet, der das Gebiet gut kennt. Sehr gefährlich sind zerstörte und nach wie vor unbewohnte Dörfer, da hier möglicherweise vermint wurde, um die Bewohner an der Rückkehr zu hindern.

Im Stadtteil Dobrinja in Sarajevo muss man aufpassen, hier verläuft die innerbosnische Grenze. "Aufpassen" bedeutet immer, dass man die asphaltierten Straßen und Plätze nicht verlassen darf.

Sicher bewegt man sich im Inneren der Städte. Die einfachsten Regeln lautet: Wo Asphalt ist, sind keine Minen. Wo viele Menschen sind und reger Verkehr herrscht, gibt es ebenfalls keine. Diese Orte wurden als erstes und so zuverlässig wie möglich von Minen befreit.

Auf ungemähte Grasstücke achten. Man muss sich immer fragen, warum an dieser Stelle nicht gemäht wurde.

Am besten wissen die Anwohner, wo vermint ist und wo nicht - sie waren dabei. Es kann kein Fehler sein zu beobachten, wie und wo die anderen sich bewegen.

Wenn man mit jemandem ins Gespräch gekommen ist, lohnt es sich, irgendwann die obligatorische Frage nach der Minengefahr zu stellen (zum Beispiel an der Rezeption eines Hotels, bei einem Taxifahrer und so weiter). Die Antworten von Einheimischen sind aber mit Vorsicht zu genießen. Lautet die Antwort: das Gelände dort ist vermint, weiß man, dass man sich fernhalten muss. Heißt es aber: "weiß nicht", "wahrscheinlich nicht", oder "nein", kann der Grund für diese Antwort auch in einer seltsamen Scheu liegen, über die Minengefahr zu sprechen. Verlässlichere Auskünfte holt man sich bei den Internationalen Organisationen. Die müssen ihre Mitarbeiter schützen, wissen also, wo man hingehen kann und wo nicht, und sie haben auch keine Scheu, es zu "verraten".

Wer nicht nur Sarajevo besuchen will, sondern auf eigene Faust eine längere Tour durch das Land plant, sollte sich eine Minenkarte besorgen. Leider werden Minenkarten bisher nicht zur freien Verfügung bereit gehalten. Dies mag daran liegen, dass auch solche Karten nicht hundertprozentig verlässlich sind, weil es auch noch unentdeckte Minengebiete gibt. Dennoch kann es nur nützen, eine Karte zu besitzen - immerhin weiß man dann, wo auf keinen Fall Waldspaziergänge unternommen werden sollten. Minenkarten hat die SFOR, das MAC sowie European Landmine Solution (in Sarajevo in den Tito Barracs, am Beginn von Sniper Alley auf der rechten Seite, stadtauswärts gesehen; das MAC in Mostar auf kroatischer Seite, zweite Parallelstraße zum Fluss in nördlicher Richtung bis fast zum Ende gehen, auf der rechten Seite). Dort kann man freundlich um Unterstützung bitten und bekommt wenigstens Kopien, mit viel Glück auch eine richtige Karte.

Bei akuter Gefahr, zum Beispiel weil man die Minenmarkierungen erst bemerkt, nachdem man sich schon (aus Dummheit!) in ein Gebiet hineinbewegt hat, bringt es natürlich trotzdem nichts, den Kopf zu verlieren. Es gilt, zur Straße zurückzukommen, wobei gerade die Straßenränder besonders gefährliches Gelände sein können. Falls der Boden die eigenen Spuren noch erkennen lässt, benutzt man diese, um zur Straße zurückzukommen. Auch wenn die Bodenbeschaffenheit (Gras, Steine) im Normalfall Minen nicht erkennen lässt, kann es nicht schaden, genau vor die eigenen Füße zu schauen und vor allem auf gespannte Drähte zu achten. Auch kann man sich in den Minen verlegenden Soldaten hineinversetzen: Je weicher die Erde, desto leichter lässt sich so ein Ding verbuddeln. Felsen, große Steine und Baumstämme sind selbstverständlich trittsicher. Ist man zu zweit oder zu mehreren unterwegs, sollte man nicht dicht zusammenbleiben, sondern mit einigem Abstand hintereinander her gehen.